Abriss!

Sozialistischer Realismus statt Formalismus

Im Zweiten Weltkrieg waren große Teile der Städte bei Bombardierungen zerstört worden. Vor allem Dresden und Berlin hatte es schwer getroffen, aber auch die anderen Städte hatten Zerstörungen zu beklagen. Das oberste Ziel war nun der Wiederaufbau. Wie aber sollte dieser Aufbau sich vollziehen, welchen Weg sollte man dabei einschlagen?
 

Kein Einfluss vom Westen - kein Formalismus in der Architektur der DDR

Auf dem III. Parteitag der SED im Juli 1950 forderte Staatschef Walter Ulbricht, dass die Architektur der Form nach "national" sein solle. Er meinte damit, die DDR solle einen eigenen Weg gehen, unbeeinflusst von der westlichen Architektur. Insbesondere vom Formalismus sollte sie sich abwenden.

Damit war die moderne Architektur gemeint, wie sie in den 1920er Jahren vom Bauhaus und von Architekten wie Walter Gropius oder Mies van der Rohe begründet worden war.

Dafür sollte der Sozialistische Realismus auch in der Architektur verwirklicht werden. Ein Rückbezug vor allem auf den Klassizismus, teilweise auch auf den Barock, wurde zum Ziel ernannt.
 

Abriss von Kirchen und Schlössern

In den folgenden Jahren kam es deshalb zum Abriss zahlreicher historischer Gebäude, die zwar im Krieg zerstört worden waren, aber durchaus noch fähig zum Wiederaufbau gewesen wären. Es waren Gebäude, die das Stadtbild seit Jahrzehnten oder Jahrhunderten geprägt hatten.

Insbesondere wurden Kirchen sowie Schlösser abgerissen, die als Wohnsitze von Königen und Kaisern für eine Zeit und eine Gesellschaft standen, die man im Sozialismus überwunden sah. Die Haltung der SED war darum antipreußisch und kirchenfeindlich.

So wurde 1950 das Berliner Schloss abgerissen, 1959 das Potsdamer Stadtschloss, 1963 die Dresdner Sophienkirche und 1968 die Potsdamer Garnisonkirche. Ebenfalls 1968 wurde die 700 Jahre alte Leipziger Universitätskirche gesprengt, obwohl sie den Krieg fast unbeschädigt überstanden hatte.
 

Neubauten und große Plätze

Während der 1950er Jahre erfolgte der Neubau der frei gewordenen Flächen häufig im Stil des Sozialistischen Klassizismus. Dort, wo sich das Berliner Schloss erhoben hatte, entstand nun ein riesiger Aufmarschplatz. Die gesamte Freifläche wurde zum "Marx-Engels-Platz". An dessen Rand wurde 1973 bis 1976 schließlich noch der "Palast der Republik" errichtet.

Auf dem Gebiet des Potsdamer Stadtschlosses sollte noch Ende der 1980er Jahre ein Theaterneubau entstehen, der aber nicht mehr verwirklicht wurde. An der Stelle der abgerissenen Sophienkirche in Dresden wurde eine Großgaststätte errichtet. Auf dem Platz der Potsdamer Garnisonkirche wurde 1971 ein Rechenzentrum erbaut.


Blick voraus

Viele der abgerissenen Gebäude wurden schon oder werden gerade wiederaufgebaut. Dazu gehören z. B. das Berliner Schloss oder das Potsdamer Stadtschloss.