Was ist Nationalismus?

"Und es mag am deutschen Wesen - Einmal noch die Welt genesen."

So dichtete schon im Jahre 1861 der Dichter Emanuel Geibel. Dieses Zitat wurde schon zu Zeiten von Kaiser Wilhelm I. und Wilhelm II. und später auch von den Nationalsozialisten oft missbraucht und sollte die Überlegenheit der Deutschen bestätigen. Mit solch markigen Sprüchen taten sich nicht nur die Alldeutschen hervor, sondern auch später die Nationalsozialisten. Doch woher genau kommt diseser Nationalismus nun genau? Gibt es eine einfache Erklärung für Nationalismus? Leider nicht, die Sache ist komplizierter.

Woher hatten die Deutschen dieses Überlegenheitsgefühl überhaupt? Wieso glaubten sie, sie seien etwas Besonderes? 

Um die Jahrhundertwende waren für die meisten Menschen Autoritäten sehr wichtig. Sie bewunderten Titel, verehrten den Adel und das Militär. Viele Deutsche sahen sich - anders als die Bürger anderer Länder - immer in erster Linie als Untertanen ihres Staates, ihrer Nation. Man passte sich an und hatte große Angst vor jeder Amtsperson. Ein bekannter Autor hat dieser Figur des deutschen Untertanen in einem großen Roman ein Denkmal gesetzt, und zwar Heinrich Mann in seinem Roman der "Der Untertan"

In dem kleinen Video siehst du einen Ausschnitt aus der Verfilmung des "Untertan" aus dem Jahr 1951.

 

Filmausschnitt der Untertan [ © DEFA Film ]

Viele Nationalisten verband der Gedanke des Kaisertums

Viele Nationalisten verband der Gedanke des Kaisertums. "Für Kaiser und Reich" war das Motto vieler Menschen. So entwickelten sich  Vereine, die einem radikalen Nationalismus huldigten, wie die Deutsche Kolonialgesellschaft oder der Deutsche Flottenverein oder der Deutsche Sprachverein. Dieser kümmerte sich um die Pflege einer "reinen" deutschen Sprache. Besonders radikal dachten die Mitglieder des Alldeutschen Verbandes. Viele Mitglieder dieses Verbandes stammten aus dem Bildungsbürgertum, waren Lehrer und Professoren und hatten damit auch großen Einfluss auf die Jugend. Für diese galt das Deutschtum  und  das "deutsche Wesen" als Vorbild für alle und das Schlimmste an diesem Denken war das Überlegenheitsgefühlt gegenüber allem, was sie selbst als "nicht deutsch" betrachteten.

Das sind nur einige Beispiele für viele Verbände und Vereine, die nationalistisch dachten. Es gab zur Kaiserzeit noch einige mehr.

In Deutschland pochte man auf die "Blutszugehörigkeit"

1871 hatten die Deutschen endlich eines ihrer wichtigsten Ziele erreicht: den deutschen Nationalstaat. Doch wer dieser Reichsgründung von oben nicht zustimmte, geriet im Laufe der Zeit immer mehr in Gefahr, als "Reichsfeind" abgestempelt zu werden.

Zu Bismarcks Zeiten waren das zunächst die Katholiken und Sozialdemokraten. Gegen beide Gruppen ging Bismarck hart vor. Später rückten Angehörige nationaler Minderheiten oder Juden in den Blick der Nationalisten und wurden zu Feinden des Reiches, auch wenn sie hierfür nicht einmal Gründe lieferten. Man suchte nach einem Feindbild und dieses Feindbild erschien in dem vermeintlich "Fremden". In Frankreich zählte jeder Bürger zur Nation. Im Deutschen Reich hingegen verlangte man nach einer "Blutszugehörigkeit" und grenzte diejenigen aus, von denen man glaubte, sie hätten eben nicht dasselbe Blut.

Der Nationalismus richtete sich aber nicht nur gegen angebliche Feinde von innen. Auch die Feindschaft zu Frankreich wuchs. Viele sahen in den Franzosen eine Bedrohung für das noch junge Deutsche Reich. Aber auch England war der "Feind" oder wurde so wahrgenommen. Die Angst vor dem Slawentum ergänzte diese Feindschaft gegen alle möglichen Feinde von außen. Irgendwie müssen sich alle Deutschen bedroht gefühlt haben. Ein Gefühl, das auch heute von rechtsradikalen Partien oft genug ausgenutzt wird.

Schon die Kinder wurden in der Schule auf Nation und Militär eingeschworen. Wen wundert es, dass der Nationalismus sich in allen Bevölkerungsschichten immer stärker ausbreiten konnte? Stell dir vor, dass du in der Schule immer stramm stehen müsstest. Vielleicht hättest auch du gedacht, dass alle das so machen und es völlig normal ist.

 


Blick voraus

 "Stolz darauf Deutscher zu sein"!?

Vielleicht hast du schon mal jemand sagen hören, er sei stolz darauf, Deutscher zu sein. Da sei die Frage erlaubt, worauf ist die Person denn genau so stolz. Stolz kann man ja eigentlich nur auf etwas sein, was man selbst geleistet hat, wofür man gearbeitet hat, zum Beispiel, wenn man seinen Schulabschluss schafft oder einfach jemanden unterstützt oder ein tolles Referat hält oder ... Aber die Tatsache, dass du in Deutschland geboren bist, ist doch Zufall. Du könntest genausogut Schwede, Amerikaner, Franzose oder Afrikaner sein.

Genauso wenig musst du dich schämen, ein Deutscher zu sein. Auch das hört man ab und an. Weil die Nationalsozialisten so schreckliche Verbrechen begangen haben. Aber auch dazu kannst du ja überhaupt nichts. Es ist genauso Unsinn, sich seiner Nationalität zu schämen wie stolz auf eine bestimmte Nationalität zu sein. Nur sollte man nie vergessen, dass eben im Namen des "deutschen Volkes" schlimme Verbrechen begangen wurden. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass so etwas nie mehr passiert, nicht in unserem Land und  in keinem Land der Erde.

Stolz auf ein Land zu sein, ist noch kein Nationalismus. Aber es kann ein Anfang sein, deshalb ist es gut, wenn wir erst einmal darüber nachdenken, was es bedeutet, wenn wir so etwas sagen.