Wiedervereinigung und Europa

Wiedervereinigung und Europa

Die Wiedervereinigung, die wir heute trotz der Probleme als selbstverständlich ansehen, war damals, also in der Zeit von 1989,  gar nicht so selbstverständlich. Die Bürde, die Deutschland aufgrund der beiden Weltkriege trug, wog schwer. Nicht alle Nachbarländer und auch andere Staaten, zeigten sofort Begeisterung für ein erstarktes Deutschland..

So hatten einige Länder  erhebliche Bedenken, während andere die deutsche Wiedervereinigung durchaus begrüßten.

Welche Länder hatten Bedenken gegenüber dem wiedervereinigten Deutschland?

So zögerten Frankreich und Großbritannien erheblich. Hier mussten die deutschen Politiker erst einmal Überzeugungsarbeit leisten. Der Präsident von Frankreich hieß in dieser Zeit Francois Mitterand. Nach der Vorlage des Zehn-Punkte-Plans  von Bundeskanzler Kohl am 28. November 1989 teilte Mitterrand einer Gruppe französischer Journalisten mit, er halte eine deutsche Wiedervereinigung für eine "rechtliche und politische Unmöglichkeit". Mitterrand wollte die Entwicklung nicht aufhalten, aber gebremst hätte er sie gerne.

Worin bestand die Angst vor der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten?

Einmal ging es darum, dass ein wiedervereinigtes und damit auch sehr viel größeres Deutschland das Gleichgewicht in Europa durcheinander bringen könnte. Wurde Deutschland zu groß, zu mächtig, zu überlegen, könnte Europa Schaden nehmen. So dachten einige. 80 Millionen Deutsche würde diese wieder vereinte Nation zählen. So gab es Leute, die das “Vierte Reich” kommen sahen, eine Aussicht, auf die man gerne verzichten wollte.

Gab es Länder, die eine Wiedervereinigung verhindern wollten?

Direkt verhindern wollte es kein europäisches Land. Aber die Franzosen waren sehr vorsichtig. Die Frage war für Frankreich und Großbritannien, ob sich ein erstarktes Deutschland wieder in die Reihe der europäischen Staaten so einordnen ließe oder einen Führungsanspruch beanspruchen würde. Nicht nur die Politiker*innen waren kritisch, auch die Menschen in Frankreich und Großbritannien. So versuchte man zwar nicht direkt, die Wiedervereinigung von Ost und West zu verhindern, aber dennoch hinauszuzögern. So spiegelte die Meinung der Bevölkerung letztlich die Meinung der Politik wider. Hier gab es einige, die auf die Erfahrungen mit den Deutschen in der Vergangenheit hinwiesen. Damit war vor allem die Zeit während des Nationalsozialismus gemeint.

Das wiedervereinigte Deutschland und Italien

Der damalige italienische Regierungschef namens Giulio Andreotti sah die Wiedervereinigung ebenso problematisch. In Italien fürchtete man sich vor einem Europa, das durch eine deutsche Vormachtstellung aus dem Gleichgewicht geraten würde.

Die Beneluxstaaten und das wiedervereinigte Deutschland

Die kleineren Nachbarstaaten wie die Niederlande oder Belgien erhoben nicht so starke Bedenken gegen die Wiedervereinigung. Doch Vorbehalte gab es auch dort. Allerdings bestand hier die Frage, wie Deutschlands Entwicklung gebremst werden sollte. So einflussreich sah man sich doch nicht. Hier bestand die Frage, ob sich das wiedervereinigte Deutschland weiter in die europäische Familie einbinden lassen würde.

Als klar wurde, dass sich die Vereinigung der beiden deutschen Staaten nur schwer aufhalten ließ, setzten die meisten auf eine Einbindung Deutschlands.

Das wiedervereinigte Deutschland und Polen

Vielleicht fragst du dich, warum hatten die Staaten alle Angst? Neben den historischen Erfahrungen hatte aber Helmut Kohl vor der Wiedervereinigung das Thema Grenze zu Polen und Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze erst einmal offen gelassen. Die Wahlen sollten ja noch kommen und hier wollte er auf Wähler*innen am rechten Rand nicht so gerne verzichten. Und vor allem die rechten Wähler*innen hätten sich eine andere Grenzziehung gewünscht. Ende des Jahres 1990 standen die Bundestagswahlen ins Haus. So war auch Polen erst einmal äußerst skeptisch und erst nachdem die Grenzen endgültig und vertraglich festgelegt wurden, einigermaßen beruhigt.


Blick zurück

Die deutsche Geschichte wog schwer. Hatte das Land zwei Weltkriege heraufbeschworen und Europa verwüstet. Das lag zwar schon eine Weile zurück, aber so ganz trauten viele Deutschland eben gerade deshalb nicht. Ein starkes Deutschland könnte vielleicht wieder seine Macht ausdehnen wollen. Und das nicht nur wirtschaftlich.


Blick voraus

Deutschland konnte mit der Zeit die Ängste abbauen. So gab es 20 Jahre nach der Wiedervereinigung schon weniger kritische Stimmen. Dennoch wird ein erstarkendes Deutschland immer auch in Europa kritisch gesehen.