Hanna will aufs Gymnasium

Ich bin die Hanna und zehn Jahre alt. Geboren wurde ich, während die letzten Bomben auf unsere Stadt gefallen sind, so erzählt jedenfalls die Mama. Die Oma meint, es sei ein Wunder, dass ich überhaupt überlebt habe. Erst wären mir fast die Bomben auf den Kopf gefallen und dann gab´s nix zu essen. Aber egal, jetzt geht es mir ja gut, wir haben etwas zu essen und irgendwie finde ich es ganz in Ordnung, so wie ich bin.

In der Schule habe ich immer die besten Noten. Aber eigentlich muss ich gar nicht so viel lernen. Gut, ich mache meine Hausaufgaben, meistens mache ich die Hausaufgaben von Kurti und Manfred gleich mit. Die wissen nämlich oft nicht weiter. Kurti ist mein älterer Bruder und Manfred mein jüngerer.

Gestern war Elternabend an unserer Schule. Der Lehrer hatte alle Eltern einbestellt, deren Kinder aufs Gymnasium kommen sollen. Da waren die Eltern von der Resi Winterhuber, die die Apotheke am Marktplatz haben, und die Eltern vom Franzl Sommerhieber. Franzls Vater arbeitet als Prokurist in der Fabrik, in der ganz viele Leute aus unserer Stadt arbeiten. Was das nun ist, weiß ich nicht, jedenfalls ist es ein wichtiger Beruf, bei dem man viel Geld verdient und seine Kinder aufs Gymnsium schicken kann.

Meine Eltern waren nicht dort, obwohl der Lehrer sie gebeten hatte. Mein Vater meint, es sei völliger Unsinn für ein Mädchen, aufs Gymnasium zu gehen. Mädchen heiraten ja eh, meint er auch und zuviele Flausen im Kopf, sei nix für so ein junges Mädel. Mein Vater sagt immer "Mädel". "Ich will gar nicht heiraten, nie ...", habe ich geschrieen. Da hat die Mutter nur gelacht. "Du wirst schon sehen", hat sie gemeint. Warte noch ein paar Jährchen, dann bist du froh, wenn du einen Mann findest, der dich versorgt. "Bin ich aber gar nicht", habe ich gerufen und beide haben sich so komisch angeschaut.

Aber mein Lehrer gibt nicht so schnell auf. Er die Eltern extra in die Schule bestellt und sie haben miteinander geredet. Ich habe an der Tür gelauscht. Der Lehrer hat mich und meine Schulleistungen gelobt, da wurde ich ganz rot als Lauscherin hinter der Tür. Ich sei die beste in der Klasse, Lernen würde mir nur so zufallen und ich wäre wissbegierig und seine aussichtsreichste Schülerin. Meine Eltern waren ziemlich still und sagten gar nichts. Zumindest habe ich nichts gehört. Mein Vater meinte nur, er wäre ein einfacher Fabrikarbeiter und hätte kein Geld für so was. Aber damit kam er beim Lehrer Fleischer nicht durch. Die Schule würde kein Geld kosten und auch die Schulbücher wennüberhaupt nur wenig. Außerdem gäbe es später auch Stipendien für begabte Kinder und ob er nicht wolle, dass es seine Tochter mal besser habe. Da brummelte er irgendwas von "Ja schon", aber ..." Den Rest habe ich dnn nicht verstanden. Wahrscheinlich wäre es ihm lieber, wenn einer seiner Söhne aufs Gynasium käme, aber ich als Mädchen, na ja. Am Ende haben sie dann wohl nachgegeben.

Am nächsten Tag strahlte mir Lehrer Fleischer sein fröhlichstes Lachen entgegen und meinte: "Hanna, ab dem Herbst gehst du aufs Gymnasium!"